Veranstaltungsberichte

Vom 14. bis zum 16.01.2022 fand auf der Jugendburg Hohensolms unser Seminar zum Thema Gesprächsführung statt. Ein besonderer Fokus lag dabei auf beratenden Gesprächen und dem traumasensiblen Arbeiten. 

Eingestiegen sind wir Freitagnachmittag mit einem Austausch über die bisherigen Erfahrungen in Gesprächen: Was ist hilfreich für mich, wenn ich selbst Beratung benötige? Was hindert mich eher? Was habe ich als beratende Person bereits ausprobiert? Ausgehend von diesen eigenen Erfahrungen wurden im Plenum wichtige Grundregeln und -haltungen für die Gesprächsführung besprochen. Daran anschließend haben wir uns mit möglichen Phasen des Gesprächs beschäftigt. Ganz vorne stand hier das Joining, das Ankoppeln an die Person. Hier geht es darum ein gemeinsames Alltagsthema zu finden, um die erste Barriere der Unsicherheit zu überwinden und überhaupt ins Reden zu kommen. Dies akiviert unser Bindungssystem und sorgt dafür, dass wir uns sicherer fühlen. Dieser kleine Gesprächsanfang wurde in 2er-Gruppen direkt ausprobiert.

Bei strahlender Sonne sind wir Samstagmorgen auf dem Hof mit einigen Spielen und Körperübungen zum wach werden gestartet. Die letzte Übung leitete direkt ins Thema über: Immer zwei Personen balancierten einen Holzstab zwischen ihren Fingern und probierten dabei ohne zu reden verschiedene Möglichkeiten von Führen und Folgen (A führt, B führt, A und B wechseln sich dynamisch ab) aus. Die dabei gewonnen Erkenntnisse wurden auf das Thema Gespräche übertragen.
Nach einer kurzen Pause sind wir ins nächste Thema gestartet: Der Körper als Instrument im Gespräch. Dabei war es besonders wichtig den Teilnehmenden zu vermitteln, dass neben allem Reden die Körperlichkeit ein ebenso relevanter Teil der Gesprächsführung ist. Denn unser Körper nimmt im Kontakt zu anderen Menschen über verschiedene Sinneskanäle permanent sehr viel wahr, auch wenn unser Bewusstsein gar nicht so viel davon mitbekommt.
Es fanden Partner*innenübungen statt, bei denen es die Aufgabe war die Körpersprache des Gegenübers nachzuahmen. In der Fachsprache heißt das „Verkörperter Dialog“. Es geht darum, sich über den Körper mit dem Gegenüber zu synchronisieren und dadurch dem Körperbewusstsein zu vermitteln „Ich verstehe dich, ich kann nachfühlen wie es ist, ich bin ein sicheres Gegenüber“. Dies unterstützt das Vertrauen im Gespräch und aktiviert das Bindungssystem, sodass das Gespräch eine sichere Basis hat. Besonders bei Personen, die leicht überfordert sind im Gespräch ist dies eine hilfreiche Methode, um zu verhindern, dass sie innerlich aussteigen beziehungsweise dissoziieren.
Auch in weiteren Runden waren die Teilnehmenden eingeladen ihr Können auszuprobieren und zu erweitern: Im Austausch zu zweit konnten sie sowohl lernen den eigenen Körper in Gesprächssituation wahrzunehmen als auch das Gegenüber bewusster zu spüren. Fragen, die wir uns dazu gestellt haben waren: Wie bin ich selbst mit meinem Körper da im Gespräch? Welche Körperreaktionen bemerke ich? Wie spiegelt mein Körper das Befinden meiner Gesprächspartner*innen (Stichwort Spiegelneuronen)? Nehme ich das bewusst wahr? Wie kann ich das nutzen im Gespräch? Während des Austauschs gab es für alle die Möglichkeit auch persönliche Themen zu besprechen und mit Hilfe der verschiedenen angebotenen Methoden zu bearbeiten.

Am Nachmittag wurden mehrere Modelle zum Verständnis von Trauma vorgestellt. Unter anderem das Modell für strukturelle Dissoziation. Dieses beschäftigt sich mit den verschiedenen Anteilen innerhalb einer Person, die in dissoziativen Zuständen agieren. Besonders nützlich ist dieses Modell für die Arbeit mit und Beratung von traumatisierten Menschen, da alle diese Anteile im Gespräch anwesend sind bzw. unterbewusst mithören, auch wenn immer nur einer von ihnen gerade die Oberhand in der Situation hat. So dient es dazu das Verhalten des Gegenübers besser zu verstehen und fördert somit die Handlungssicherheit in der Arbeit mit von Trauma betroffenen Personen.
Das Modell geht zunächst von drei Anteilen aus: 

  • Dem ANP (Annähernd normaler Persönlichkeitsanteil), der für die Alltagsfunktionsfähigkeit zuständig ist 
  • Dem EPF (emotionaler Persönlichkeitsanteil fragil), der die Verletzungen trägt und beispielsweise traurig ist oder sich alleine fühlt 
  • Dem EPK (Emotionaler Persönlichkeitsanteil Kontrolle), der versucht alles zu kontrollieren. Am meisten kontrolliert er, dass die Gefühle nicht nach außen dringen, damit die Person der Außenwelt nicht ausgeliefert ist. So soll verhindert werden, dass die Person vielleicht wieder die gleichen schlimmen Erfahrungen macht wie früher (z.B. Beschämung, allein sein, nicht gesehen werden mit der eigenen Bedürftigkeit). Der EPK versucht also oftmals den EPF wegzudrücken und stumm zu machen. 

Wichtig bei diesem Modell ist, dass all diese Teile eine Funktion haben: Sie waren zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben der Person überlebenswichtig. Sie wollen schützen vor Schmerz und sozialer Ausgrenzung. Das Problem ist jedoch: Sie sind in der Traumazeit, in der sie entstanden sind gefangen und agieren teilweise so als ob sie noch in genau diesem Alter/dieser Situation stecken würden. Das ist natürlich in manchen Situationen heute gar nicht mehr passend, da im Jetzt viel mehr Ressourcen und Fähigkeiten vorhanden sind als beispielsweise als Baby. So wird deutlich, weshalb es für Menschen mit Traumaerfahrungschwierig sein kann angemessen zu reagieren. Im Heilungsprozess geht es deshalb darum, diese inneren Anteile immer besser kennenzulernen und mit ihnen Kontakt herzustellen.  In Gesprächen ist dieses Modell für die beratende Person sehr hilfreich, weil so Aussagen und Reaktionen besser eingeordnet werden können. Dies unterstützt die beratende Person im Gespräch dabei sich weniger zu verwickeln, die eigenen Grenzen bleiben klarer und besser geschützt. So entsteht die Möglichkeit Angriff nicht persönlich zu nehmen, sondern genau zu schauen wie Kontaktangebote gestaltet sein müssen, damit das Gegenüber diese auch annehmen kann.

Am Abend wurde durch gemeinsames Tanzen die Verankerung der Themen gestärkt. Alle konnten sich so nochmal neu erden und die eigene Energie im Körper spüren. Im Tanz war Leichtigkeit und Freude präsent. 

Sonntagmorgen sind wir aufgewacht bei viel Schnee und blauem Himmel. So war die aktivierende Morgenrunde auf dem Hof mit viel Bewegung und Spaß, aber auch mit ruhigem Staunen über die Schönheit der Natur verbundenf. Im Anschluss fanden Rollenspiele statt. Auf der einen Seite, um einen Raum zu öffnen, in dem die bisherigen Tendenzen in der Gesprächsführung erkannt und hinterfragt werden können. Auf der anderen Seite, um eine Sammlung von Handlungsmöglichkeiten, Fragetechniken und Methoden auszuprobieren und einzuüben. So wurden die Teilnehmenden ermutigt, auch in (alltags-)praktischen Gesprächssituationen die kleinen Veränderungen weiter zu vertiefen.
Zum Abschluss des Wochenendes wurde eine Methode zur Ressorcenaktivierung und Entspannung vorgestellt. Hierbei geht es darum, einen Urlaubs- oder Wohfühlmoment so in der Erinnerung zu verankern, dass er in Stresssituationen abgerufen werden kann. Dorthin kann sich die Person jederzeit zurückziehen, um Energie zu schöpfen oder sich zu beruhigen.
Etabliert wird dieses innere Bild mit Hilfe von Imaginationstechniken. Dies geschieht in einem Gespräch zu zweit, in welchem zunächst Person A Person B diesen schönen Moment möglichst genau schildert. Person A schließt hierfür die Augen und versucht sich wieder in diesen Moment einzufühlen. Person B unterstützt diesen Prozess durch Fragen nach dem BASK-Modell, welches die Sinneseindrücke (visuell, auditiv, sensitiv, olfaktorisch, gustatorisch) hervorhebt und mit den Kognitionen (also Gedanken in diesem Moment) verbindet. Die Fragen gehen immer auf die Erzählungen von Person A ein und werden immer weiter vertieft. Die Fragen sollen dazu dienen, ein möglichst klares Bild des Wohlfühlmoments zu schaffen und dieses in der eigenen Vorstellung noch weiter auszugestalten, sodass es immer spürbarer wird. Dies führt auch im Hier und Jetzt zur Beruhigung des Nervensystems – der Atem geht tiefer, der Puls wird ruhiger, der Körper entspannt sich. Am Ende der Übung kann das entstandene innere Bild von Person A in einer Geste mit der Hand gespeichert werden, die auch später zum Abrufen des Wohlfühlmoments genutzt werden kann.

Wie immer haben wir Sonntagnachmittag den Prozess des Wochenendes reflektiert und uns sehr herzlich, auch von Hohensolms, verabschiedet. Die Umsetzung aller Seminarinhalte fand angepasst an unsere Arbeitsprinzipien Prozessorientiert, Subjektorientiert, Körperorientiert und Traumasensibel statt. So waren Inhalte und Thema der Seminartage zwar vorweg klar, die genaue Struktur wurde jedoch an die Bedürfnisse aller Anwesenden angepasst.

Im Mai haben wir uns zum Thementag „Check your white privilege – eine Annäherung an kritisches weiß-Sein“ in Friedberg getroffen. Um den Ansatz besser zu verstehen hier ein kleines Gedankenexperiment:
In einer Werbung von Brot für die Welt lacht ein gesund aussehendes, Schwarzes Mädchen mit einer Schüssel in der Hand in die Kamera. Daneben die Aufforderung „Werden Sie Pate!“.

Was denkst du, wenn du das Plakat siehst? Überleg‘ ruhig kurz.

Welche unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten geben diesem Plakat seine Bedeutung? Wie wird die Aufforderung Pat*in zu werden konstruiert? 

Die Message des Plakats kommt rüber, weil wir als weiße Menschen das Schwarze Mädchen mit „arm“ und mit „in Afrika lebend“ und mit „hilfsbedürftig“ assoziieren. Wenn wir jetzt Pat*in werden fühlen wir uns gut und als Retter*innen. (Anmerkung am Rande: Der Gedanke, dass weiße Menschen Schwarze Menschen retten „müssen“ stammt noch aus der Kolonialzeit, die in Deutschland viel zu wenig Aufarbeitung erfährt.) 

Doch was macht diese Bildsprache mit uns? Wie wirkt sich das beispielsweise auf mein unterbewusstes Gefühl meiner neuen Nachbarin gegenüber (6 Jahre, deutsch, wohl behütet, intelligent, Schwarz) aus? Was denke ich über sie? Muss sie mich erst überzeugen, dass sie nicht arm ist und aus Deutschland kommt? Muss sie mir beweisen, dass ich sie nicht retten brauche, sondern sie sehr gut auf ihren eigenen Füßen stehen und für sich einstehen kann? Dass sie mir in bestimmten Punkten (genau wie ich andersherum natürlich auch) Schritte voraus ist – vielleicht gebildeter, organisierter, selbstbewusster? Welche Hürden muss sie überwinden, um überhaupt von mir als Gegenüber auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden? 
Und: überträgt sich meine eigene Assoziation mit Schwarz-Sein (arm, ungebildet, Afrika, usw.) nicht unterbewusst auf meine Wahrnehmung allen Schwarzen Kindern gegenüber?

Welche Nachteile in der Gesellschaft erfahren diese aufgrund solcher Assoziationen? 

Nicht-weiße Personen erleben in unserer Gesellschaft täglich, dass ihnen aufgrund äußerer Merkmale Eigenschaften zugeschrieben (z.B. arm, kann gut tanzen) oder abgesprochen (z.B. ist nicht vertrauenswürdig) werden. Und dass sie im Unterschied zu weißen Personen als Repräsentant*innen für eine ganze ethnische Gruppe wahrgenommen werden. Die kritische weißseinsforschung will die weißen darauf aufmerksam machen, dass sie nicht einfach nur „Menschen“ sind, sondern weiße Menschen. Sie sind nicht ausgenommen von der gesellschaftlichen Zuschreibung durch äußere Merkmale. Und: Ihnen kommen Privilegien (also strukturelle Vorteile) aufgrund dieser Zuschreibung bzw. der machtvollen, normbestimmenden Position in der Gesellschaft zu. Diese Privilegien zu hinterfragen und die eigene Rolle darin ernst zu nehmen, ist ein Anliegen der kritischen weißseinsforschung. 

Wie kann ich als weiß gelesene Person mir meine Privilegien (und natürlich die dadurch entstehende Benachteiligung anderer Personen) bewusst machen? Inwiefern stellt weißseinals sichtbarer Maßstab das Nicht-weiße als Abweichung und minderwertige Abstufung dar? Wie kann ich dazu beitragen die strukturelle Benachteiligung von Menschen aufgrund bestimmter Merkmale in unserer Gesellschaft abzubauen? 

Mit diesen und weiteren Fragen haben wir uns an unserem Thementag anhand vielfältiger Reflexionsmethoden beschäftigt und sind dabei ganz schön nachdenklich geworden. Unser Fazit: Jede*r von uns ist aufgefordert die eigenen unbewussten Gedanken und Vorurteile wahrzunehmen und umzulernen. Nur so kann langfristig Teilhabe für alle Menschen möglich werden. Auch wir im Verein wollen immer wieder überlegen welche Bilder von Menschen wir konstruieren und wie wir zu einer vielfältigen Gesellschaft beitragen können.

An einem Samstag im September fand der Workshoptag zum Thema Psychodrama in Frankfurt statt. Ausgeschrieben war der Workshop für alle Interessierten: Neulinge sowie erfahrene Psychodramatiker*innen waren herzlich willkommen.
Nach der Begrüßung starteten wir mit soziometrischen Übungen, bei denen wir uns im Raum zu verschiedenen Fragen positioniert haben. Nach und nach traute sich die Gruppe immer mehr miteinander zu interagieren. In einer Fremdvorstellungsrunde sollte jede*r jemanden aus der Runde nur anhand des bisher Erfahrenen und der eigenen Fantasie vorstellen. Dies sorgte für das ein oder andere Schmunzeln und brach schließlich das Eis. 

Durch eine Gehmeditation im Raum sammelte die Gruppe Themen von Interesse, zum Beispiel: Prüfungen, Streit in der Beziehung, ein Wasserrohrbruch.  Hierzu konnten sich die Teilnehmenden dann in Kleingruppen nach Präferenz zuordnen. Diese bekamen die Aufgabe eine kurze Szene oder ein Standbild zu ihrem Thema vorzubereiten ohne dieses aktiv zu proben. Der Austausch in den Kleingruppen lies den Teilnehmenden genügend Zeit um sich näher kennenzulernen und über das gewählte Thema ausführlich ins Gespräch zu kommen. Beim anschließenden Darstellen der Ergebnisse wurde die Wahrnehmung für spezifisch psychodramatische Kommunikation in den Rückmeldungen geschult indem es hin und wieder theoretische Hinweise gab. Schon hier konnten die Teilnehmenden spannende Erkenntnisse zur Eigen- und Fremdwahrnehmung machen und sich darin erproben in Rollen zu schlüpfen. 

Nach der Mittagspause haben wir mit einer Stimmungsabfrage mithilfe von Musikinstrumenten begonnen. Jede*r durfte sich ein Instrument aussuchen und zu dem eigenen Befinden ein passendes Geräusch machen. Anschließend stimmte die Gruppe zusammen einen Rhytmus an. Danach gab es eine Theorieeinheit zu den verschiedenen Teilbereichen des Psychodramas (Soziometrie, Bibliodrama, Protagonist*innenspiele, Gruppenimprovisationen, Singleaufstellungen) und dem zur Verfügung stehenden Werkzeugkoffer.

Da die Gruppe kein Interesse hatte in einen der anderen Bereich hineinzuschnuppern bot eine Teilnehmerin sich und ihr Thema als Protagonist*innenspiel an. Bei einem Protagonist*innen-Spiel nutzt eine Person die Bühne, um eine ihrer Fragen/Schwierigkeiten besser zu verstehen und neue Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren. Ähnlich wie bei einer Familienaufstellung unterstützen die restlichen Teilnehmenden der Gruppe, indem sie als Stellvertretungen für verschiedene Personen/Orte/Gegenstände etc. auf die Bühne geholt, positioniert und dann auch in ihrer Rolle befragt werden können. So können Zusammenhänge sichtbar gemacht, Fragen konkretisiert und neue Optionen erprobt werden. Oftmals hilft diese Methode der*dem Protagonist*in beispielsweise bei der Entscheidungsfindung. Diese Arbeit wurde durchaus intensiv und die Gruppe staunte nicht schlecht als die letzten eineinhalb Stunden der Workshopzeit wie im Flug vergingen. 
Bei den Rückmeldungsrunden zum Protagonist*innenspiel bot sich erneut die Möglichkeit die verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung zu strukturieren: Zuerst gab es ein Feedback aus den Rollen. Hier geht es darum, die in der Rolle als Stellvertretung erlebten Gefühle und Gedanken zu teilen, die im Spiel wichtig waren aber noch nicht zur Sprache kamen. Darauf folgt eine Runde zu eigenen Identifikationen. Momente in welchen mensch sich mit etwas oder jemandem auf der Bühne verbunden fühlte. So wird der Fokus auch auf kleine Momente gerichtet. 
Im dritten Schritt, dem Sharing, teilen die Teilnehmenden ähnliche Erfahrungen miteinander. Sie greifen Gefühle oder inhaltliche Punkte aus dem Spiel der*des Protagonist*in auf und erzählen etwas dazu, was sie aus ihrer eigenen Lebensgeschichte kennen. Dieser Schritt ist wichtig, um die*den Protagonist*in mit wieder mit in die Gruppe hineinzunehmen und die gesonderte Position aufzuheben. Auch führt das Sharing dazu, dass mensch weiß, dass er*sie nicht alleine ist mit den schwierigen Erfahrungen. Das Schlusswort hat immer der*die Protagonist*in, welche*r kurz zusammenfast, was er*sie aus dem Spiel für sich mitnimmt. 
Am Ende rundeten wir die Veranstaltung mit einer gemeinsamen Tagesreflexion und Verabschiedung ab.

Am ersten Adventswochenende fand im schönen Pfarrhof in Hopfmannsfeld ein Seminar rund um das Thema Familie statt. Die Leitung hatte eingeladen sich vier Tage lang mit den eigenen Wurzeln zu beschäftigen. Wo komme ich her? Wie bin ich so geworden wie ich bin? Welche Themen haben meine Vorfahren mir mitgegeben? Diese und viele weitere Fragen hatten wir im Sinn. 

Einer der Teilnehmenden berichtet: 
„Freitags sind wir nach dem Frühstück mit mehreren Spielen draußen eingestiegen. Dabei gingen wir auch zu einem nahe gelegenen Baum auf einer Wiese neben Haus und Kirche und machten dort eine kleine Meditation mit dem Baum, begrüßten ihn und spürten die Wurzeln unter unseren Füßen. Als wir danach wieder in unseren Arbeitsraum reingegangen sind, haben wir unsere Kraftgegenstände zur Hand genommen, um sie in unsere Mitte zu legen. Jede*r hat eine Baumscheibe bekommen, darauf den eigenen Namen geschrieben, ein Symbol für den Kraftgegenstand darauf gemalt und auch eins für das Gefühl draußen bei der Meditation mit dem Baum.“

Die Baumscheibe diente den Teilnehmenden als Notizbuch und kreative Arbeitsfläche durch den Seminarprozess hindurch. Auf den Bildern ist zu sehen, wie sie in einer Einzelarbeitsphase weiter ausgestaltet wurden. Nachdem der Donnerstag dem Ankommen im Haus und mit der Gruppe gewidmet war, gab es am Freitag nach dem geschilderten Morgen Zeit damit jede*r ein eigenes Genogramm (also so etwas ähnliches wie ein Stammbaum, nur mit weiteren wichtigen Daten) anfertigen konnte. Diese wurden in mehreren Runden zu zweit und mit der Gruppe besprochen und um Erkenntnisse, Fragen oder bestimmte Themen ergänzt. Eine Massagerunde zur Entspannung beruhigte die rauchenden Köpfe und tat dem Köper gut.

Nach einer Morgenrunde an der frischen Luft wurde der Samstag genutzt um Themen von einzelnen Menschen psychodramatisch zu bearbeiten. Drei Protagonist*innenspiele füllten die Seminarphasen des Tages. Alle Teilnehmenden waren vertraut mit dieser Arbeitsform und konnten sich gut einlassen, wodurch die Lebensgeschichten der Einzelnen von der Gruppe getragen bearbeitet werden konnten.  Familiäre Beziehungen sowie Schwierigkeiten und deren Übertrag auf andere Beziehungen wurden wahrnehmbar. Durch die Übernahme der verschiedenen Rollen konnten im Spiel neue Strategien erprobt und überraschende Perspektiven eingenommen werden. 

Auch der Sonntagmorgen startete mit einer Aktivierung an der frischen Luft, sodass wir uns danach der Fortsetzung der psychodramatischen Arbeit widmen konnten. Abschluss des Seminars bildete wieder die kreative Bearbeitung der eigenen Baumscheibe sowie eine gemeinsame Reflexion und die Überreichung eines imaginären Geschenkes für jede*n Teilnehmer*in. 
Rund um die Arbeitsphasen wurde gemeinsam gekocht, gegessen und entspannt. Die ländliche Umgebung des Pfarrhofs lud zu Spaziergängen ein und die Abende wurden durch gemütliches Beisammensein in der Gruppe abgerundet.

Im August haben wir uns für drei Tage zum Thema „Intersektionalität- was ist das?“ im Pfarrgarten in Frankfurt getroffen. Montagmorgen wurde eine kleine Zeltstadt aufgebaut, in der wir die weiteren Tage übernachtet haben und die Abende am Lagerfeuer ausklingen lassen konnten.

Inhaltlich widmete sich die Veranstaltung der Frage „Was ist Diskriminierung und wie hängen unterschiedliche Formen der Diskriminierung miteinander zusammen?“ Nach vielen lustigen Spielen zum Ankommen und Kennenlernen sowiedem leckeren Buffet ging es dann los mit den rauchenden Köpfen: Wir haben uns darüber informiert wie Diskriminierung in der Gesellschaft funktioniert und welchen Anteil wir selbst daran haben. Insbesondere haben wir uns mit Diskriminierung aufgrund von Gender oder Behinderung und mit Rassismus beschäftigt. Hierzu gab es verschiedene Einführungsworkshops, die die Grundlage für die Beschäftigung mit Intersektionalität bildeten. 

Intersektionalität bedeutet, dass verschiedene Diskriminierungsformen zusammenspielen und sich gegenseitig beeinflussen. Die Autorin und Aktivistin Emilia Roig hat sich in ihrem Buch „why we matter“ genau damit beschäftigt. Deshalb haben wir uns ab Dienstag an ihrem Buch orientiert und die verschiedenen Kapitel unter die Lupe genommen. Ihr geht es darum die verschiedenen Formen der Unterdrückung sichtbar zu machen. 

Hier eine kleine Buchbeschreibung in Anlehnung an ihre Website: Wie erkennen wir unsere Privilegien? Wie können weiße Menschen die Realität von Schwarzen Menschen sehen? Männliche Muslime die von weißen Frauen? Und weiße Frauen die von männlichen Muslimen? Emilia Roig stellt die Muster der Unterdrückung heraus und leitet zu radikaler Solidarität an. Sie zeigt – auch auf der Basis ihrer eigenen Familiengeschichte – wie beispielsweise Rassismus mit anderen Arten der Diskriminierung verschränkt ist. Ob auf der Straße, an der Uni oder im Gerichtssaal: sie schafft ein neues Bewusstsein dafür wie Bedingungen, die wir für „normal“ halten, historisch entstanden sind. Und dafür, dass unsere Welt eine andere sein könnte. (Vgl. https://www.emiliaroig.com/why-we-matter)

Wir haben unsere Reaktionen und Gefühle auf ihren Text geteilt. Immer wieder wurden kleine Szenen auf der Bühne gespielt, um die Dynamik greifbarer zu machen. Immer wieder gab Gelegenheit die eigenen Gedanken in unseren Notizbüchern festzuhalten. Es war eine sehr intensive Arbeit. Mittwochnachmittag schlossen wir das Programm wie immer mit einer Prozessanalyse ab und verabschiedeten uns. Einige nutzten die Sommerhitze, um das Wochenende noch gemeinsam im Schwimmbad ausklingen zu lassen.